Finanzen, December 12, 1999

By Joachim Althof

DER TIGER-DOMPTEUR
Südostasien-Fonds im Aufwind


Südostasien hat endgültig das Tal der Tränen verlassen. Die besten Fonds bieten nun eine 200-Prozent-Chance.

Kaum lagen die ersten Exemplare des britischen Ökonomie-Fachblattes "The Economist" in den Briefkästen, stand bei Richard Werner das Telefon nicht mehr still. Anrufer ous aller Welt wollten mit Werner, dem Autor eines Artikels über die Versäumnisse asiatischer Zentralbanken sprechen. Einer der Ersten in der Leitung: ein Mitarbeiter von Alan Greenspan, dem Chef der amerikanischen Notenbank. "Ich sollte dringend meine Ergebnisse, vor allem über interne Absprachen der Zentralbanken, schicken", erinnert sich Werner.

Dem gebürtigen Bayern mit Wohnsitz in Tokio ist klar, woher die Neugier der Zentralbanker rührt. Mit seinem Forschungsansatz - höre nicht auf das, was sie sagen, sieh hin, was sie tun - hat er nachgewissen, dass Zentralbanker selten halten, was sie wortreich versprechen.

So kam für Werner, der die Aktivitäten der asiatischen Notenbankchefs genau unter die Lupe nimmt, der Crash in den Tiger-Ländern von 1997 keineswegs überraschend. Denn damals hatten die Zentralbanken zunächst mit zu viel Liquidität eine Spekulationsblase ermöglicht. Noch viel sclimmer war, dass die Notenbanker anschliessend den Geldhahn zudrehten und die Wirtschaft regelrecht austrockneten Jetzt endlich ist der Umschwung da, liest Werner aus den Bilanzen der Zentralbanken von Bangkok bis Kuala Lumpur. Die jetzt vorhandene Liquidität werde die Wirtschaft in Schwung bringen. Deshalb ist der heutige Chef der Beratungsfirma Profit Research Center Ltd. und Professor der Tokioter Sophia-Universität für die nahe Zukunft geradezu bullish: "Ich erwarte in S üdostasien überaus kräftiges Wirtschaftswachstum in den nächsten zwölf Monaten." Zweistellige Wachstumsraten in Ländern wie Korea prognostiziert er bereits für das laufende Finanzjahr bis zum März 2000. Damit liegt Werner weit über den Vorhersagen der meisten Institute. Die Aktienmärkte, so der Investmentexperte, legen im Jahr 2000 um bis zu 200 Prozent zu. Den grossten Sprung traut er dabei Thailand zu.

Werden die Tiger nun endgültig zu Bullen? In den vergangenen Wochen befürchteten Anleger, die scharfe Korrektur - die Kurse barachen um über 30 Prozent ein - sei der Auftakt zu einer neuen Asiankrise. "Davon kann keine Rede sein, der Aufwartstrend der Wirtschaft ist stabil", beruhigt Monika Friedl, Mangerin dies EM Fernost Fonds von Union-Investment. Ihr Fonds hat seit Jahresanfang trotz aller Schwankungen um 92,5 Prozent zugelegt. Ihrer Überzeugung nach geht die grundlegende Restrukturierung der Wirtschaft in den meisten Landern energisch voran. Dies zeigt auch das Engagement ausl ändischer Investoren, die sich 1999 für rund 5,1 Milliarden Dollar direkt an Unternehmen der ehemaligen Krisenlander beteiligt haben. Zudem kauften Auslander fur 13 Milliarden Dollar asiatische Aktien ein - drei Mal so viel wie im Jahr zuvor. Mal so viel wie im Jahr zuvor. Und der Nachholbedarf ist enorm. Während die Weltaktienmärkte, gemessen am MSCI-World-Index, in fünf Jahren um 114 Prozent zugelegt haben, rangieren die Börsen Südostasiens noch immer 24 Prozent unter dem Stand von 1994. Anleger, die auf den Aufschwung in der gesamten Region setzen wollen, liegen mit Südostasien-Fonds goldrichtig.

Wer sich dagegen für einzelne Länderfonds entscheidet, muss denau differenzieren. Die Entwicklung ist sehr unterschiedlich. Der Top-Tipp vieler Experten: Südkorea. Die Regierung in Seoul hat als erstes Land einem schmerzhaften Reformkurs begonnen. Bilder von Massenprotesten gingen um die Welt, als die Chaebols, die überschuldeten Megakonzerne, zerfielen. Dieser harte Kurs zahlt sich jetzt aus. "Die Unternehmer haben daraus gelernt; sie arbeiten heute kosteneffizient und profitabel", weiss Khiem Do, Investmentchef fur Asien/Pazifik, von Barings. Die gerade beschlossene erste Einigung des DaewooKonzerns mit seinen Gläubigern über eine Restrukturierung dürfte weiteres Vertrauen in die Wirtschaft schaffen. Kheim Do favorisiert derzeit Stahl- und Energiewerte, die im Korea-Fonds übergewichtet sind.

Aussenseiterchancen haben Thailand und Malaysia. Deren Reformkurs hinkt allerdings dem anderer Lander stark hinterher. Malaysia hat sogar bis vor kurzem Investoren mit einer Steuer auf Kapitalausfuhren geschröpft. Grosser Schwachpunkt sind in beiden Landern die Banken. Die Institute haben jahrelang Geld ohne Sicherheiten verliehen und sitzen jetzt auf faulen Krediten in Milliardenhohe. Allein fur die Thai Bank, schätzt die Rating-Agentur Standard & Poor's, beläuft sich die Summe auf 23,3 Milliarden Dollar. Das Aufholpotenzial birgt aber auch Chancen: Noch sind die Aktien billig. Asienexperte Richard Werner ist gerade für Thailand optimistisch: "Das neue Bankengesetz stellt die Finanzwirtschaft wieder auf gesunde Füsse."

Skeptischer sind Analysten bei Investments in China. Verlässliche Daten gibt es nur über das Wirtschaftszentrum Hongkong. Noch beherrscht in China der Staat die grossen Unternehmen. Allerdings verstehen es die Pekinger Machthaber seit kurzem, die Instrumente des Kapitalmarktes geschickt zu nutzen. Sie brachten Aktien von Legend, dem grössten Computerhersteller, und von China Telecom, der beherrschenden Telefongesellschaft, an die Börse. Mit Erfolg, denn beide Firmen profitieren vom einsetzenden Telefon- und Computer-Boom in China. Eine weitere Verbesserung des Kapitalmarktes steht zudem bevor. Künftig dürfen Versicherungen im Roten Reich Fondsanteile kaufen, bisher waren ihnen nur Anleihen erlaubt. Damit fliesst frisches Kapital in den chinesischen Aktienmarkt.

Ein floriender Finanzmarkt ist dagegen heute schon der Trumpf Singapurs. Die Banken sind mit 24 Prozent der dominierende Sektor im UBS Equity Fund Singapore. Banken wie OCBC oder die Singapore Development Bank konnten in einigen Jahren zu Global Playern werden, sind die UBS-Expertenüberzeugt.

Grosse Investmentchancen, denen jedoch auch einige Risiken gegenüberstehen. Bei einer scharfen Rezession in Amerika, dem wichtigsten Käufer asiatischer Waren, mussten viele Unternehmen ihre Gewinnerwartungen revidieren. Eine grössere Bedrohung geht von einer starken Abwertung der chinesischen Währung aus, die die Analysten in den nächsten neun bis zwölf Monaten für wahrscheinlich halten. Dies würde die chinesischen Exporte weiter verbilligen und Produzenten aus dem Reich der Mitte einen Vorteil gegenüber Unternehmen aus anderen asiatischen Ländern verschaffen. Jedoch - einen Crash wie den von 1997 würde auch dies nicht auslösen, ist Asienkenner Richard Werner überzeugt: "Eine Renminbi-Abwertung wird den Aufwärtstrend aber nicht beenden."

Ausserdem: Sobald nicht nur asiatische Notenbanker Werners Forschungsergebnisse gelesen haben, sollte eine Spekulationsblase wie 1997 - mit ihren negativen Auswirkungen fur ganz Asien - ohnehin nicht mehr mö glich sein.